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08.03.2016

Behördenmarathon am ersten Tag

Foto: Sozialarbeiter bringen zwei Brüder aus Afghanistan in eine städtische Sozialwohnung auf Mariahof
Sozialarbeiter (vorne) bringen zwei Brüder aus Afghanistan in eine städtische Sozialwohnung auf Mariahof, in der sie gemeinsam mit anderen Asylbewerbern untergebracht sind.
„Das Land weist der Stadt jede Woche Flüchtlinge zu“ – dieser Satz ist genauso korrekt wie abstrakt. Was das genau für die Asylbegehrenden und die Stadt bedeutet, können sich die wenigsten vorstellen. Die Rathaus Zeitung hat daher Flüchtlinge an einem solchen Tag der Zuweisung, intern „Transfertag“ genannt, begleitet.

Donnerstagmorgen, 9.15 Uhr, es schneeregnet. Vor der Jägerkaserne in Trier-West fährt ein Reisebus voller Menschen vor. Er kommt aus der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in der Luxemburger Straße. Ein Mitarbeiter des städtischen Sozialamts steigt vorne beim Busfahrer ein und liest eine Reihe von Namen vor. Die angesprochenen Personen steigen aus und holen ihre Gepäckstücke aus dem Bauch des Busses. Es sind die Asylbewerber, die das Land der Stadt an diesem Tag zugewiesen hat. Die entsprechende Liste hatte es bereits vor zwei Wochen zur Vorbereitung an die Stadt geschickt. Ab sofort ist das Amt für Soziales und Wohnen für die Flüchtlinge verantwortlich, die für die Dauer ihres Verfahrens in der Stadt bleiben werden.

Etwas ratlos stehen die Menschen zunächst frierend in einem Durcheinander von Taschen, Tüten und Kinderwagen auf dem Parkplatz. Ein städtischer Mitarbeiter erklärt ihnen, wie es weitergeht, weitere Sozialhelfer kommen hinzu und beantworten Fragen auf Englisch, Arabisch, Persisch und Russisch: Zunächst schließen alle ihr Hab und Gut in der Jägerkaserne ein, dann geht es gemeinsam zur „Abteilung Asyl“ des Amts für Soziales und Wohnen in die Eurener Straße 15. Die Flüchtlinge geben ihre Ausweispapiere ab, die die städtischen Mitarbeiter mit der Transferliste des Landes abgleichen. Als Ausweis gilt eine „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“, kurz BÜMA, die die Erstaufnahmeeinrichtung ausgestellt hat. Es ist das erste deutsche Ausweispapier mit Lichtbild für die Flüchtlinge.

9.45 Uhr: 17 Personen stehen auf der Transferliste, 18 Personen stehen auf dem Flur des Amts für Soziales und Wohnen, zwei Georgier können keine BÜMA vorweisen. Die Mitarbeiter haben Routine im Aufklären solcher Unstimmigkeiten. Die fehlenden BÜMAs tauchen nicht mehr auf, die Erstaufnahmeeinrichtung bestätigt auf Anfrage aber alle Angaben und stellt Ersatzdokumente aus. Die Papiere einer Person hingegen sind nicht eindeutig und die Situation des jungen Flüchtlings bleibt ungeklärt. Eine Sozialhelferin bringt ihn mit dem Auto wieder zurück in die AfA nach Euren.

10.10 Uhr: Nun heißt es warten für die Flüchtlinge, unter ihnen zwei Familien mit kleinen Kindern. Sie werden einzeln aufgerufen, um Auskunft zu ihrer Person zu geben, unter anderem zu Familienstand, direkten Verwandten, letztem Wohnort, Religion, Sprachkenntnissen und Bildungsabschlüssen. Und sie erfahren, dass das Amt für Soziales und Wohnen jetzt für sie zuständig ist, für die Wohnung, das Taschengeld und den Behandlungsschein, wenn sie zum Arzt müssen. Die Kinder vergnügen sich unterdessen in einer Spielecke mit Gummi-Dinosauriern.

Die Stadt hat für alle Flüchtlinge Wohnraum organisiert, eine junge iranische Familie hat bereits selbst eine Wohnung gefunden. Die städtischen Mitarbeiter vermerken die neuen Adressen auf den BÜMAs und kopieren sie für ihre Unterlagen. Per Fax gehen die Ausweisdokumente auch schon an die Sparkasse Trier. Hier werden später alle Asylbewerber ein Guthabenkonto eröffnen. Die

Faxe im Vorfeld geben der Sparkasse Zeit, alle Unterlagen vorzubereiten. Damit die Flüchtlinge Geld für Einkäufe haben, bevor das Konto eingerichtet ist, erhalten sie Barschecks mit einem Abschlag auf ihr Taschengeld.

13.30 Uhr: Die Erfassung im Sozialamt ist abgeschlossen. Es geht zurück zur Jägerkaserne, um das Gepäck abzuholen, dann zur Sparkasse in die Theodor-Heuss-Allee. Hier lösen die Asylsuchenden zunächst ihre Schecks ein, bevor sie gemeinsam in einem Nebenraum die Papiere zur Kontoeröffnung erhalten und unterschreiben. Die Zusammenarbeit klappt hervorragend, nach mehreren Monaten sind die Sparkassenmitarbeiter und die Sozialhelfer ein eingespieltes Team, das Prozedere wird in unterschiedlichen Sprachen erläutert, alle unterschreiben die erforderlichen Formulare.

Im Anschluss trennen sich die Wege. In verschiedenen Mini-Bussen werden die Menschen in ihre Unterkünfte gebracht. Sozialhelfer Ayad Abbas fährt noch schnell die BÜMAs zum Amt für Ausländerangelegenheiten. Hier müssen sich die Asylsuchenden melden, um weitere Angaben zu machen sowie ihre Rechte und Pflichten aus ausländerrechtlicher Sicht zu erfahren. Ein Termin dort würde nicht mehr in den vollgepackten Tag passen. Eine Gruppe wird ins Burgunderviertel gebracht, eine in die Geschwister-Scholl-Schule, wo sie von Sozialarbeitern der Caritas in Empfang genommen werden. Sozialarbeiterin Franziska Fischer und Sozialhelfer Abbas fahren unterdessen acht Personen in Wohnungen in der Innenstadt, Mariahof und Trier-West. An Klingeln und Briefkästen befestigen sie Namensschilder und überprüfen die Wohnungen, die vom Bürgerservice bereits mit einer Grundausstattung eingerichtet wurden. Sie erläutern die Funktionsweise der Heizung und der Waschmaschine und geben eine individuell bestückte Infomappe zu den wichtigsten Themen des Alltags aus.

16.20 Uhr: Alle Flüchtlinge sind in der Stadt verteilt und mit dem Nötigsten versorgt. Die Sozialarbeiter werden in den kommenden Tagen bei allen noch einmal vorbeifahren, um Fragen zu beantworten. Zurück im Amt werden die Mitarbeiter ungläubig empfangen: Normalerweise enden Transfertage erst um 19 Uhr, da Flüchtlinge oft grüppchenweise ankommen, teilweise erst um 14 Uhr, wodurch sich der Tag erheblich in die Länge zieht. Heute war es relativ stressfrei. Der Schneeregen hat aufgehört, die Sonne scheint.

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