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04.04.2017

Zweite Heimat Deutschland

Laura Hassan berichtet im Gespräch mit Marcus Stölb über ihren Fluchtweg nach Trier.
Laura Hassan berichtet im Gespräch mit Marcus Stölb über ihren Fluchtweg nach Trier.
Der Sammelbegriff „syrische Flüchtlinge“ beherrschte 2015/16 monatelang die politischen Debatten in Deutschland. Die Schicksale der einzelnen Menschen gerieten dabei zumeist aus dem Blickfeld. In der Reihe „Stadtgespräch“ des Stadtmuseums schilderte die 25-jährige Syrerin Laura Hassan jetzt die Erlebnisse, die ihr letztlich keine andere Wahl ließen, als ihre Heimat zu verlassen.

„Wir sind bei einer Demonstration von Soldaten beschossen worden, sodass ich um mein Leben fürchten musste. Als später noch meine Familie bedroht wurde, habe ich mich zur Flucht entschlossen.“ Libanon, die Türkei und Griechenland waren die ersten Stationen ihrer Reise ins Ungewisse, bevor sie mit dem Zug über Serbien, Ungarn und Österreich Deutschland erreichte. Im Oktober 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle dieses Jahres, kam sie in das Erstaufnahmelager in Bitburg, wo sie mit 200 Menschen in einem großen Zelt lebte. Zugleich hatte sie große Sorgen um ihre Eltern, die in Syrien geblieben waren. „Sie leben in einem kleinen Dorf und der IS war nicht weit. Ich habe jeden Tag fünf- oder sechsmal bei ihnen angerufen“, erinnerte sich Hassan.

„In Trier angekommen?“ lautete das Thema des von dem Journalisten Marcus Stölb moderierten Talks. Dabei ging es weniger um nationale oder internationale Zusammenhänge, sondern um die Frage, was vor Ort geleistet wurde und geleistet werden kann. Aktuell sind es rund 1800 Flüchtlinge, die Leistungen von der Stadt Trier und dem Jobcenter erhalten. Hinzu kommen die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes in der Dasbachstraße und der Seidel-Kaserne, in denen im Lauf des Jahres 2015 mehr als 37.000 Flüchtlinge, zumeist nur für wenige Wochen, untergebracht waren. „Ich war überrascht, wie schnell die Stadt auf diese Situation reagiert hat. Trier ist ein sehr positives Beispiel, gerade was die Schaffung neuer Stellen und Kapazitäten im Rathaus betrifft“, bilanzierte Carsten Stumpenhorst, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Trier. Auch die Zahl und Qualität der Sprachkurse für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive ist seiner Ansicht nach gut.

Stumpenhorst kümmerte sich in den vergangen Jahren intensiv um den Aufbau eines Netzwerks aus Sozialverbänden, Vereinen und Freiwilligen in der Flüchtlingshilfe. Derzeit gebe es in Trier rund 70 ehrenamtliche Flüchtlingsbegleiter, die 160 Personen betreuen. Die Diakonie vermittelt diese „Tandems“ und bietet kontinuierliche Beratung.

Integration im Quartier

Beim Thema Wohnraumversorgung sprach sich Stumpenhorst klar für eine dezentrale Unterbringung gegenüber zentralen Flüchtlingsheimen aus: „Integration geschieht im Quartier, wo sich die Bevölkerungsgruppen vermischen. Die eigene Wohnung ist eine entscheidende Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.“ Allerdings, so räumte er ein, benötigten viele Familien anfangs Hilfestellung bei der sachgerechten Bedienung elektrischer Geräte, bei der Mülltrennung oder beim Energiesparen.

Laura Hassan hatte Glück: Sie konnte nach 20 Tagen aus dem Aufnahmelager in Bitburg zu einer Bekannten nach Trier ziehen. Sie besuchte Sprachkurse und lernte schnell sehr gut Deutsch, nicht zuletzt, weil sie in ihrer WG die Sprache auch im Alltag anwenden konnte. Wenn in Syrien irgendwann wieder Frieden herrscht, will sie zurückgehen. „Deutschland ist aber jetzt meine zweite Heimat“, betonte Laura Hassan. Ihr Lieblingssatz auf Deutsch? „Mal gucken.“

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