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14.06.2016

Missverständnisse vermeiden

Szene Sprachkurs VHS Trier für arabische Migranten
In der Flüchtlingsbetreuung arbeiten zu einem Großteil Frauen, hier links im Bild die Lehrerin Cordula Zimper bei einem Deutschkurs der VHS. Dort treffen sie auf Männer und Frauen aus dem arabischen Raum, die ganz andere Geschlechterbilder gewohnt sind.
Wenn Frauen und Männer aus unterschiedlichen Kulturkreisen miteinander sprechen, kommt es oft zu Missverständnissen und Irritationen. Dies gilt nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Bereich. Für Trierer Akteure, die bei Institutionen und Trägern in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, hat daher die städtische Frauenbeauftrage Angelika Winter ein interkulturelles Training organisiert.

Der Lehrgang, der an fünf Nachmittagen stattfand, wurde zur Hälfte mit Landesmitteln bezuschusst. Die Leiterin des Trainings, Dr. Mirjam Schneider, sensibilisierte alle Beteiligten insbesondere zu Unterschieden zwischen arabisch-islamischen Gesellschaften und Deutschland. Ein zentraler Punkt sind die unterschiedlichen Auffassungen darüber, welche Rolle Frauen und welche Männern zukommt. Damit verbunden sind auch unterschiedliche Auffassungen zu Themen wie Familie, Ehe und Berufstätigkeit. Zudem erhielten die Teilnehmenden praxisnahe Tipps für eine konstruktive Gesprächsführung, die für beide Seiten gesichtswahrend und respektvoll verläuft. Ziel der verbesserten Kommunikation ist, dass auch die Arbeit in den Behörden und Institutionen reibungsloser läuft.

Schneider erklärte unter anderem, dass schon alleine die Gesprächsführung Missverständnisse auslösen kann: In Deutschland werde oft sehr sachorientiert kommuniziert, was im arabischen Kulturkreis als kalt und distanziert empfunden werde. Dort sei es zunächst wichtig, eine persönliche Ebene zum Gesprächspartner zu finden und sich der gegenseitigen Wertschätzung zu versichern. Dann könnten auch heikle oder konfliktträchtige Themen angesprochen werden.

Das Training führte zu einigen Aha-Erlebnissen bei den Teilnehmern. Sandra Karl, Migrationsbeauftragte im Trierer Jobcenter berichtete, ihr sei klargeworden, dass man den weiblichen Flüchtlingen neue Berufszweige öffnen müsse, weil die klassischen Einstiegswege in den deutschen Arbeitsmarkt nicht funktionierten: Die Gastronomie sei beispielsweise in arabisch-islamischen Ländern durch Männer besetzt, denn Frauen würden Räume, in denen Alkohol konsumiert würde, nicht betreten, auch nicht zum Saubermachen. Klassische Ein-Euro-Jobs und Einstiegsqualifikationen würden hierzulande aber vor allem in solchen Bereichen angeboten, die für arabische Frauen tabu sind.

Ein weiterer kultureller Unterschied: In Deutschland wird der Fokus auf den Menschen als Individuum gelegt, in arabischen Ländern ist das Kollektiv viel wichtiger, zum Beispiel die Familie, die in alle wichtigen Entscheidungen einbezogen wird. „Das Individuum kommt nicht als Individuum zu Ihnen“ erklärte Mirjam Schneider hierzu den Teilnehmern. Dies konnte Simone Ebner bestätigen, die bei der Ökumenischen Beratungsstelle Flüchtlinge unter anderem zum Asylverfahren berät. Die Menschen würden fast nur über ihre Familie sprechen, nicht jedoch über sich selbst – im Asylverfahren zähle für den deutschen Beamten hingegen nur die individuelle Situation des Antragstellers.

Die insgesamt 15 Teilnehmerinnen und ein Teilnehmer von elf Institutionen und Trägern hatten während des Trainings viel Raum, um ihre eigenen beruflichen Erfahrungen zu schildern und diese in der Runde zu besprechen, was allgemein großes Lob fand. Angelika Winter ist sich daher sicher, dass der fachliche Input über die verschiedenen Kulturstandards und der menschliche Austausch allen mehr Sicherheit in der Kommunikation und ein größeres Verständnis für manche Verhaltensweisen von Flüchtlingen bringen wird.

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